Monumentales Gebäude
Sehr schnell verständigte man sich darauf, dass nur ein freistehendes "monumentales" Gebäude in der Lage sei, die Machstellung des Deutschen Reiches gegenüber dem Ausland zum Ausdruck zu bringen und zugleich den Geltungsanspruch der Volksvertretung gegenüber dem Monarchen sichtbar zu machen.
Da die Planung und Ausführung eines "kolossalen Reichstagsgebäudes" lange Jahre beanspruchen würde, ergab sich die Notwendigkeit, für die Übergangszeit ein brauchbares Provisorium zu schaffen. Dieses Ausweichquartier sollte nach Möglichkeit schon zu Beginn der Herbstsession bereit stehen.
Am 1. Juni 1871 nahm eine Kommission ihre Beratungen über ein Provisorium auf.
Hans Viktor von Unruh regte an, das Herrenhausgebäude in der Leipziger Straße 3 mit der benachbarten Königlichen Porzellanmanufaktur zu einem großen Parlamentsgebäude umzubauen.
Mehrere Bauvarianten wurden diskutiert, Zeitpläne verworfen und allsbald steckten die Verhandlungen in einer Sackgasse. Die Beratungen kamen erst wieder in Gang, als sich Bismarck persönlich in die Debatte einschaltete.
Um schnell eine Lösung zu schaffen, sollten nur der Hof der Porzellanmanufaktur überdacht und der Plenarsaal als Fachwerkkonstruktion errichtet werden.
Bauarbeiten unter Hochdruck
Unter Hochdruck gelang es, das Gebäude in nur 4 Monaten fertigzustellen, obwohl die Bauarbeiten durch einen wochenlangen Bauarbeiterstreik behindert wurden.
Der rechtzeitige Abschluss gelang nur deshalb, weil Reichskanzler Bismarck für einen raschen Auszug der Porzellanmanufaktur sorgte und weil die Nächte hindurch bei künstlicher Beleuchtung gearbeitet wurde.
Am 13. Oktober 1871, unmittelbar vor der ersten Sitzung des Reichstags am 16. Oktober, wurde Kaiser Wilhelm I. durch das Gebäude geführt. Dies sollte sein einziger Besuch bleiben.
Vom 16. Oktober 1871 bis zum 4. November 1894 tagte der Reichstag in der Leipziger Straße 4.