Herr Schmitt, was war ursprünglich Ihr Berufswunsch?
Ich habe eine Klosterschule besucht. Wenn wir dort gefragt wurden, wo wir unsere Zukunft sehen, empfahl sich die Antwort "Priester" - wegen der Noten. Ich habe allerdings sehr schnell für mich entschieden, Jura zu studieren. Ich stamme aus einer Juristenfamilie. In die Verwaltung wollte ich gehen, um gestalten zu können. So begann ich meine Laufbahn in der Innenverwaltung von Baden-Württemberg.
Sie beenden Ihre Karriere als Staatssekretär und Direktor des Bundesrates. Was ist das Besondere an diesem Amt?
Dass ich am Ende Direktor eines mächtigen Verfassungsorgans werde, konnte ich mir zu Beginn meines Berufslebens nicht vorstellen. Aber, wie das eben manchmal so ist, haben viele glückliche Umstände mir den Weg geebnet. Dafür bin ich sehr dankbar. Denn das Amt des Direktors des Bundesrates ist ein sehr schönes Amt. Man hat sehr viel mit Menschen zu tun und die Gelegenheit, zu vielen Entscheidungsträgern enge Beziehungen aufzubauen und in deren Arbeit „reinzuschnuppern“. Ich habe in meiner Amtszeit die große Ehre gehabt, Präsidenten und Vizepräsidenten aus allen 16 Ländern zu dienen.
Wie politisch ist ihr Amt?
Politisch im Sinne von parteipolitisch ist es nicht. Das Amt erfordert fundiertes Wissen des politischen Tagesgeschäfts. Als Leiter des Sekretariats ist man für den reibungslosen Ablauf des Gesetzgebungsverfahrens verantwortlich. Man pflegt intensiven Kontakt zu den Ministerpräsidentinnen und Ministerpräsidenten, dem Ständigen Beirat, zu Bundestag und Bundeskanzleramt.
Die Präsidentschaft im Bundesrat wechselt jährlich. Wie wirkt sich das auf Ihre Tätigkeit aus?
Zunächst einmal führt es zu einer großen Verantwortung des Direktors. Er muss eine gewisse Kontinuität für den Bundesrat wahren, sollte daraus aber keine Machtansprüche ableiten. Der Direktor ist die rechte Hand des Präsidenten oder der Präsidentin und untersteht ihnen zu jeder Zeit.
Wie verändert die einjährige Präsidentschaft die Sicht der Ministerpräsidentinnen und Ministerpräsidenten?
Durch den Vorsitz im Bundesrat werden die Länderchefs zu aktiven Repräsentanten des Bundes. Das merkt man insbesondere auf den vielen Auslandsreisen. Die Präsidentschaft fördert das Verständnis für das Zusammenspiel der Bundesverfassungsorgane. Gegenüber dem Bundesrat und vor allem dem Sekretariat bleibt auch nach der Präsidentschaft eine enge Verbundenheit, die auch für uns positiv ist. Ich empfinde den jährlichen Wechsel als Vorteil, weil alle Länder in den Genuss dieser Erfahrung kommen.
Wie hat sich die Institution Bundesrat im Laufe Ihrer 13-jährigen Amtszeit verändert?
Wir sind als Verfassungsorgan sichtbarer geworden. Wesentlichen Anteil daran hatte der Umzug von Bonn ins repräsentative Herrenhausgebäude in der Mitte Berlins. Uns ist es gelungen, diese besondere Chance optimal zu verwerten. Der Bundesrat wird heute stärker wahrgenommen und genießt auch im Ausland eine gute Reputation. Wir sind gefragt als Verhandlungspartner und als Ratgeber.
Kritiker bemängeln allerdings, der Bundesrat winke viele Gesetze einfach nur durch.
Hier trügt der Schein. In einer Großen Koalition werden wichtige Streitpunkte und Länderinteressen bereits in Ausschüssen und Sitzungen des Bundestages oder der Bundesregierung mitberücksichtigt. Als ich hier anfing - zu Zeiten einer rot-grünen Regierung und schwarz-gelben Mehrheit im Bundesrat - hatten wir natürlich mehr Differenzen. Ich kann mich an über 100 Vermittlungsverfahren in drei Jahren erinnern - Die Agenda 2010 ist nur ein Beispiel. Ich bin allerdings überzeugt, dass wir in Fragen der künftigen Finanzverteilung zwischen Bund und Ländern auch noch manch kontroverse Diskussionen erleben werden.
Gesetzesinitiativen des Bundesrates werden durchschnittlich erst nach 8 Monaten im Bundestag behandelt - und dann meist abgelehnt. Macht das Initiativrecht des Bundesrates bei der Gesetzgebung noch Sinn?
Das Initiativrecht des Bundesrates erlaubt es den Landesregierungen, ihre politischen Vorstellungen der breiten Öffentlichkeit zu präsentieren. Dass die „Mühlen“ dann mitunter etwas langsamer mahlen, bedauere ich. Aber das hängt auch mit dem Selbstverständnis des Bundestages zusammen, der die Anregungen lieber in eigenen Fraktionsinitiativen aufgreift. Trotzdem sage ich: Das Initiativrecht des Bundesrates ist für das politische System von wichtiger Bedeutung.
Im Ausland findet das einzigartige Konstrukt Bundesrat hohe Wertschätzung. Woran liegt das?
Unser Föderalismus ist sehr stark. Eine ähnlich intensive Mitwirkung von Gliedstaaten bzw. Gebietskörperschaften sehe ich nirgendwo sonst in der Welt. Die Vorteile unseres föderalen Systems, sowohl wirtschaftlich als auch kulturell, erkennt man auch im Ausland an. Insofern werden wir häufig als Ratgeber gefragt.
Ihre Nachfolger werden am kommenden Freitag vom Plenum gewählt. Was geben Sie ihnen mit auf den Weg?
Es steht mir nicht zu, große Ratschläge zu geben. Lassen Sie mich einfach sagen: Ich bin der felsenfesten Überzeugung, dass sowohl mit Frau Dr. Rettler als auch mit Herrn Dr. Kleemann zwei Kollegen an die Spitze des Sekretariats wechseln, die ihre Aufgaben gut bewältigen werden. Mit Frau Dr. Rettler als meiner Stellvertreterin habe ich in den letzten fünf Jahren vertrauensvoll und gut zusammengearbeitet. Ich sehe deshalb für das Sekretariat des Bundesrates und den Bundesrat insgesamt eine gute Zeit kommen.